Rezension zu Wolfram Lotz: In Ewigkeit Ameisen

Menschenendzeit

Der professorale Ameisenforscher Schneling-Göbelitz ist mit seinem Gehilfen Müller irgendwo in Afrika auf der Suche nach einer legendären, das heißt unentdeckten, blauen Ameisenart, als, wie sie per Radio erfahren, der weltweite Nuklearkrieg ausbricht und das Ende der Menschheit in weniger als 24 Stunden bevorsteht.

Der Professor jedoch wird durch die Nachricht nur in seinem Forschungsdrang bestärkt, sieht er doch in der Entdeckung und Benennung der vermutlich selbst der Atombombe trotzenden und allseits widerstandsfähigen Ameisen die letzte und einzige Möglichkeit, sich über die Existenz der Menschheit hinaus einen Namen zu machen. In einem ruchlosen Dienstverhältnis hält er Müller dazu an, den Rollstuhl nur weiter zu schieben und sich keinen Gedanken an die zu Hause einsam sterbende Frau zu erlauben.

Sie hetzen also in den Dschungel, geradewegs auf einen Atompilz zu, in dessen Nähe der Professor das Ameisennest vermutet, und (wahrscheinlich) sorgsam recherchiert zerfallen in der Zwischenzeit Körper und Natur, braut sich der Klang der Vernichtung zusammen. Müller leidet an Magenkrämpfen, blutet, schleppt sich und den Professor weiter, ohne an den Sinn des Vorhabens zu glauben, ein Anruf bei der Frau von einer zufälligen Telefonzelle aus scheitert am mangelnden Kleingeld, nachdem der Professor zuvor Hilfe/einen Hubschrauber vom mitten in der Endzeitparty steckenden Konsulat verlangte – vergeblich.

Die Landschaft verwandelt sich in eine Wüste, die Zeit und das Fleisch schwinden, doch dann kommt der Ameisenbau in Einheit mit dem Atompilz in Sicht. Aus letzter Kraft, nämlich mit Hilfe des dafür aufgesparten Akkus des Elektrorollstuhls, steuert der Professor darauf zu – und wird von den ausschwärmenden blauen Ameisen, zwischen Entzückung und Zerrüttung schwankend, aufgefressen. Die letzten Schreie Müllers schließlich besiegeln das Ende der Menschheit.

Das Hörspiel ist schön gebaut mit den präsenten Herrschafts-, Geschwindigkeits- und Bedrohungsverhältnissen, ein bisschen unnütz verkörpert der Professor auch noch einen üblen Rassisten neben der offensichtlichen narzisstischen Störung, aber ich glaube, eigentlich gelingt ihm tatsächlich ein recht guter Abgang, kohärent, konsistent und erfolgreich, wenn man so will. Tolle Ideen mit einfachen Mitteln umgesetzt, nur leider weiß ich nicht, was ich davon mitnehmen soll, mir persönlich ist das zu phantastisch und zu echt, zu wenig diskursiv, aber vielleicht sollte ich mir gerade von dieser Materialität noch etwas abschneiden.

Foto von Maksim Shutov auf Unsplash