Rezension zu Thomas Bernhard: Der Stimmenimitator

Bernhard auf Speed

Eine Menge weitgehend unzusammenhängender Skizzen, je im Umfang von bloß ein bis zwei Seiten, versammelt Bernhard, so scheint es, in diesem gleichwohl als Gesamtwerk konzipierten Buch.

Die Skizzen teilen eine gewisse Diktion, in kurzen und eindeutigen Sätzen werden Figuren durch ihre Berufe, Funktionen, Verwandtschaften oder Wohnorte eingeführt und zueinander ins Verhältnis gesetzt, um dann in einem abrupten Ende zu einer Wendung oder Pointe zu gelangen. Oft sind typische Bernhardsche Figuren und Szenen zu erkennen, adlige Gesellschaften, Holzknechte, Einsame, Wissenschaftler, Verrückte, Selbstmörder undsoweiter, nur dass sie hier, statt sich mäandernd auszulassen über Gründe und Perspektiven ihres Daseins, in ihre Krisen unmittelbar hineingestürzt oder aus ihnen herauserlöst werden.

Die zum Titel des Bandes avancierte Skizze Der Stimmenimitator begleitet einen öffentlichen und einen privaten Auftritt desselben in akademischen und sogenannten hochkulturellen Kreisen, wobei er stets zur vollsten Überzeugung alle möglichen an ihn gestellten Anforderungen, also zu imitierende Stimmen, erfüllt, schließlich aber vor der Aufgabe kapituliert, seine eigene Stimme nachzuahmen.

Die Gründe dafür, also für die meisten der Auflösungen/Pointen der verschiedenen Skizzen, sind nicht unerfindlich, jedoch bewusst (haha, Entschuldigung) in der Schwebe gehalten, hat er nun seine eigene Stimme verloren oder vergessen oder hapert es an den Anforderungen der Imitation, die auf das Selbst nicht reflexiv angewendet werden kann, das bleibt der Phantasie überlassen.

Na gut, die Themen folgen durch die Skizzen hindurch einer Entwicklungstendenz in Richtung des Wahnsinns, das ist gut gemacht und auch die Prägnanz, die man in dieser Form sonst nicht bei Bernhard findet, der gewissermaßen selbst als Stimmenimitator auftritt, indem er die ihm eigene Sprache zurücktreten lässt, hat viel für sich.

Foto von Noah Buscher auf Unsplash