Rezension zu Tex Rubinowitz: Irma
So ist das Leben, aber muss das so sein?
Den Bachmannpreis hat er gekriegt, Tex Rubinowitz, für Auszüge aus diesem Buch. Das hört er bestimmt nicht gern. Der Band versammelt autobiographische Anekdoten aus vierzig bis fünfzig Jahren Lebensgeschichte, natürlich fiktionalisiert, durch Verfremdungseffekte und integrierte Verhandlungen mit dem Lektor als Kunstwerk ausgestellt.
Ohne Chronologie und Topographie durcheinandergewürfelt werden uns mit kaltem, wahrhaftigem Humor Situationen geschildert, die von einem entblößt aus dem Busch springenden Pädophilen bis zum zusammen Arbeiten oder zumindest Trinken mit einem ganzen Haufen Prominenter aus der Kunst-, Kultur- und Musikszene reichen.
Aber natürlich, vorgegaukelt, schon durch den Titel suggeriert, wird uns ein Dossier über die Liebe, und tatsächlich kommt sie in gewissem Sinne auch nicht zu kurz. Ich weiß gar nicht mehr, wieviele Frauen da auftauchten, Irma, Silke, Eva, Pia, Mitva und wie sie nicht alle hießen und wann sie nicht waren. Meistens kommt der Erzähler auf Reisen mit ihnen in Kontakt, das Episodenhafte ist schnell festgelegt, ob nun beim Geknutsche in der Disco oder bei der gemeinsamen Reise in der transsibirischen Eisenbahn. Mehr wird daraus nie, kaum etwas bleibt hängen, die enttäuschteste Person im ganzen Buch ist wahrscheinlich der schwule Musiker, der beim mittäglichen Saufen und Wälzen auf dem Hotelbett die Heterosexualität oder doch das Desinteresse des Erzählers erkennt.
In puncto Musik und Starallüren zeigt sich Rubinowitz bewandert, ein Großteil der Referenzen blieb mir Banausen in dieser Hinsicht fremd. Wir Millenials können vielleicht mit dem Votum von Buddy Holly über Elvis Presley nicht mehr viel anfangen und erahnen weder die Provokanz noch die Plausibilität dieser These.
Am meisten überzeugt noch Rubinowitz' selbstironischer Blick auf das Schreiben, wenn der Erzähler über Dramaturgiekonzepte schimpft und aus den losen Episoden ein Stilmittel der Authentizität zusammenzuknüpfen versucht. Er hat recht: Das Leben ist so, unabgeschlossen, zusammenhanglos, unaufgeregt. Ein bisschen schade ist es dann aber doch, wenn auch das Buch in genau diesen Adjektiven aufgeht.
–