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Rezension zu Svenja Viola Bungarten: Tot sind wir nicht

Alte Leier poppig gezupft

Ute K. und Beate, zwei ältere Damen, verdealen die Medikamente des dahinsiechenden, sterbenden Ehemanns der ersteren, um sich den Lebensabend am Strand von Okinawa zu versüßen. Mit leichtem Soziolekt und schwerem Tabakkonsum werden die Pelzträgerinnen unterschichtig ausgemalt, erinnert an Omma, das Geld reicht nicht, der Tod des Gatten, wie er mit dem Sessel verschmilzt, den er seit Jahren nicht verlassen, kommt zu früh.

Durch dieses schleppend umgesetzte Handlungsmotiv angetrieben finden wir die beiden im letzten von offenbar zahlreichen Bestattungsunternehmen wieder, um mit geringst möglichen Mitteln die letzte Ruhe des dann doch mehr als gedacht geliebten, in seinem Sessel verwesenden Willi zu organisieren. Leichenstau, Sozialbestattung, auch die Unternehmer, Zwillingsbruder und sein Enkel, kommen kaum über die Runden mit dem verlässlichsten Gewerbe der Geschichte, so dass der junge Jason Nagel, zu einem branchenbezogenen Konferenzvortrag angehalten, eine identitäre Geschäftsrevolution anzettelt, weg von der Friedhofspflicht, See- und Diamantbestattungen sind nicht genug, sondern ein ganz persönliches Heldenepos sollen seine Entwürfe abgeben, genau wie man sich jetzt Tassen bedrucken, Pizza belegen oder Turnschuhe designen lässt.

Da die sexuelle Anziehungskraft der Damen auf den alten Piotr Nagel bei den Preisverhandlungen keine Früchte trägt, lassen sie sich auf den experimentierfreudigen Jungvisionär ein, gegen den seinerseits die Wissenschaftlerin und vorige Tablettenkäuferin Franka, die den Tod aus der Welt zu schaffen gedenkt, antagoniert. Willis Leichnam wird, eingefasst in einen Orcawal, vor dem versammelten Bestatterkongress per Hubschrauber als Free Willy zu Grabe hommagiert, was allerdings dank der betonten Langsamkeit nicht ganz so episch wie gewünscht ausfällt. Es folgen weitere Betrachtungen dazu, wie sich der eigene Tod am besten in die Hand nehmen lässt, Beate kriegt Krebs und kann die Reise nach Okinawa nicht mehr antreten, na gut, alles sinnlos, weiterrauchen.

Ein bisschen schade, dass sich nie ein wirklicher Drive entwickelt, die philosophische Ambition der Betrachtung über das Lebensende (und dessen eventuelles Ende) erstickt in der unterschichtigen Unterschiedslosigkeit, irgendwas soll immer lustig sein, echte Typen, crazy unterkühlt, aber am Ende bleiben bloß billige Gags und man ist so schlau als wie zuvor. Keine sprachlichen Höchstleistungen, keine Kippfiguren oder Ambiguitäten, nur ab und zu werden die Dialoge verschachtelt, ohne großen Mehrwert. Ist ja nur ein Erstlingswerk, was will man schon machen.

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