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Rezension zu Samuel Beckett: Glückliche Tage

Kunstvolles Dahingeplapper

Ein Pärchen in der Wüste. Sie, Winnie, steckt bis zu Brust, unentrinnlich, in einem Hügel, während er, Willie, hinter dem Hügel herumkriecht und manchmal in der Zeitung liest. Es hat etwas von einer Ehekomödie, die Partner leben völlig aneinander vorbei, sie redet wie ein Wasserfall, webt zwischendurch flapsige Gesprächsangebote ein, ist aber keineswegs auf eine Antwort angewiesen, während er nur mal kurz aus der Zeitung vorliest, fixe Jungen, helle Knaben, aber offensichtlich kann er mit dem Gespräch nichts anfangen und weiß es auch nicht in eine andere Richtung zu lenken.

Ich fühle mich an meine Eltern erinnert, und ich kann Willie gut verstehen, denn kaum ein Wort von Winnies Redeschwall, der nebst Regieanweisungen den Großteil des Stückes stellt, ist mir in Erinnerung geblieben, oder interessant erschienen, alles Tratsch über Kinder, erste Küsse, Zahnbürstenaufschriften, die sie nicht lesen kann, Pseudophilosophie darüber, wann man nun am besten den Sonnenschirm aufspannt oder ein Lied singt, was die letzten Passanten so zu der Situation sagten. Klar, da ergibt sich ein hermetischer, von Wiederholung geprägter, man könnte sagen: Beckettscher Raum.

Ein Haufen sinnfreie Gegenstände, darunter ein Revolver, alles sorgfältig aus einem schwarzen Sack hervorgewühlt und wieder hineingeworfen, Winnie hört sich gerne reden und wenn Willie auch mal ein Wort sagt, macht das für sie einen glücklichen Tag. Aber die äußeren und inneren Umstände weisen ihre Unannehmlichkeiten auf. Da ist ein schriller Wecker, der erfahrungsgemäß in der Textwüste viel leichter untergeht als auf der Bühne, der jedesmal einsetzt, wenn Winni vor Erschöpfung die Augen zufallen.

Im zweiten Akt stellt sich die Position so zugespitzt dar, dass Winnie bis zum Hals eingegraben und somit vollkommen bewegungsunfähig ist, während von Willie lange Zeit jede Spur fehlt. In einer Erzählung aus der Kindheit brechen traumatische Erlebnisse in Schreie aus, das Setting sagt Beine, Nacht, Maus, ruft aber auch Assoziationen von sexuellem Missbrauch auf, und natürlich steckt auch auf der Bühne der Unterleib der Frau in einem Hügel, in den der Mann von hinten einen Tunnel gräbt. Willie allerdings kriecht am Ende doch noch auf die Vorderbühne hervor, adrett aufgestylt, und versucht das auf dem Gipfel eingeschlossene Gesicht Winnies zu erobern (zu stürmen?). Er scheitert zwar kläglich, aber die Frau ist ja mit allem glücklich, singt „Du hast mich lieb“ und ihr Lächeln flackert.

Im Vordergrund des Regieinteresses dürfte der dunkle, traumatische Unterton einer zunehmend belasteten Gesprächsführerin stehen, dabei scheint die komödiantische Deutung von loriothaften Ausmaßen doch irgendwie mit meiner Lektüre vereinbar, was mir nach der anstrengenden Leseerfahrung die viel wünschenswertere Umsetzung zu sein scheint, die zugleich auch noch gehörig mit den Theatertraditionen aufräumen könnte. Was ich dem Text aus egoistischen Gründen vorwerfen muss, ist seine chaotische Konstruktionsweise, aus der sich leider in keiner Hinsicht ein Prinzip, eine Idee, eine Technik oder Ähnliches für das eigene Schreiben gewinnen lässt. Aber das soll natürlich nicht Becketts Problem sein.

Foto von NEOM auf Unsplash

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