Rezension zu René Pollesch: Herr Puntila und das Riesending in Mitte

Solide Selbstbeschau

Man geht ins Theater und steht wieder davor: Auf der Bühne ist eine Rekonstruktion der Außenfassade der Volksbühne zu sehen, den Dachfirst schmückt ein Banner mit dem Titel Aufstieg und Fall eines Vorhangs, des zuvor hier gesehenen Stücks.

Die Fassade steht und bewegt sich auf der Drehbühne, davor steht Astrid Meyerfeldt und will rein, klingelt frenetisch, aber Franz Beil gibt mit heiserer Stimme in amateurhafter Betonung, die sich genau so, fassungslos, durch den gesamten Abend ziehen wird, zu bemerken, dass in dem Gebäude niemand wohne und es auch nichts zu sehen gebe, alles bloß Angeberei. Als sich die Bühne das erste Mal um volle 180 Grad dreht, bestätigt sich diese Aussage weitgehend: nur eine schale Empore mit beidseitiger Treppe säumt die Rückwand der Fassade, sonst ein paar Linien, die wahlweise nach Sportplatz oder Grundriss aussehen und in die gerne Mal eine Dusche, ein Bett oder ein Treppenhaus hineingespielt werden.

Auch als Inga Busch und Christine Groß dazukommen, ändert das wenig an den metareflexiven Partituren, die hier ineinander greifen, da wird die Rolle des Regisseurs verflucht, mit Berliner Stadtteilen, Wohnungspolitik und ein bisschen Philosophie hausiert und das Ganze mit slapstickartigen Einlagen von Franz Beil, der sich ein paar Flaschen auf dem Kopf zertrümmert und ein paar Dosen über die Bühne tritt, in Bewegung gebracht. Die Sprechpositionen werden in chorischer Aufstellung (drei gegen eins) durchgewechselt, auch ein richtiger Chor kommt noch dazu und mimt die omnipräsente Souffleuse, reißt dabei aber die volle Präsenz an sich, naja.

Es ist unterhaltsam und wie von Pollesch gewöhnt, die Art des Witzes hat mir hier besser gefallen als im Aufstieg und Fall eines Vorhangs, allerdings fehlte es doch an Variation und Action, nur wenig Musik, kein rasender Schuh wie in Goodyear, keine Stunts, keine Melodrama- oder Kinoeinlagen und auch die Rahmenhandlung blieb weniger griffig als bei dem dortigen Filmset.

Herr Puntila und das Riesending in Mitte stellt die Selbstbeschau der neuen Volksbühnenintendanz und die um die Eröffnung kreisenden Diskurse in den Mittelpunkt und da finden sich zwar einige lustige Spitzen gegen gelangweilte Rezensenten und die unaufhaltsam in Berlin fortschreitende Gentrifizierung, soviel reichlich Selbstironie, aber ein bisschen langweilig wird es dann doch – vielleicht hat sich das Konzept noch nicht weit genug vom Lehrstück, das es nicht sein will, entfernt.

Foto von Eddy Billard auf Unsplash