Rezension zu René Pollesch: Goodyear

Den Schuh muss man sich anziehen

Die jüngsten Reaktionen zum Start der Intendanz von Pollesch an der Volksbühne schlagen meist verhaltene Stimmen an, alles sei schon bekannt und es fehle an Neuerungen, und auch in Goodyear, das noch vor der Volksbühnenübernahme am DT entwickelt wurde, fehlt es nicht an typischen Elementen. Selbst- und metareflexiv schwingen sich die fünf Schauspieler*innen über die Bühne, spielen die Schauspieler*innen diverser Filmproduktionen, in deren Rollen dieses mal nicht hinein, dann wieder nicht aus hinausfinden.

Überwiegend in Rennfahrerkostüme gehüllt sucht Sophie Rois ihre Tochter, deren Schuh von mehr als doppelter Menschenshöhe Alice-im-Wunderland-haft hinter dem Bühnenhorizont auftaucht, pars pro toto, und der den symbolischen Raum des einen Fußes, den der Schauspieler auch in den Pausen stets in seiner Figur stehen haben sollte, ebenso ausfüllt, wie er als discomäßig beleuchteter Rennwagen über die Bühne rast.

Die Geschwindigkeit wird dabei beständig hoch gehalten, Musik und Actioneinlagen sorgen für Unterhaltung, fügen sich dabei aber auch glatt in die Hollywoodassoziationen ein, die in immer wieder geschlagenen Klappen und Cuts aufgerufen werden. Natürlich wird auch nicht nur geraucht, sondern daraus gleich eine ganze Philosophie des Nachdenkens über den Selbstmord, der sich darin ausdrückt, entwickelt, wie auch zum Thema der Kopulation und der Notwendigkeit, während des Sex auch und gerade an etwas ganz anderes zu denken, in mehreren Anläufen durchdekliniert wird.

Der Unterhaltungsfaktor ist wirklich groß an diesem Abend, die Dramaturgie variiert pointiert und springt mit genau der richtigen Mischung aus erfüllten Erwartungen und semantischen Überraschungen durch den vielschichtigen Text und gerade, weil die gespielten Action- und Liebesszenen nur selten über Andeutungen hinauskommen, bezeugen sie desto mehr die Kunst der Darstellenden, die permanent durch Slangs, Kostüme und Handlungsebenen switchen. Ein typischer Pollesch, der nichts zu wünschen übrig lässt, außer, dass es nach dem schnellen Ende noch ein bisschen weitergehen möge.

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