Rezension zu Peter Handke: Versuch über den geglückten Tag
Mäanderangeln
In diesem Text greift Handke auf Hogarths Line of Beauty and Grace als strukturbildendes Modell zurück, die allerdings, als s-förmig geschwungene Linie, die gleiche oder doch wohl eine ähnliche Struktur evoziert, wie sie auch die beiden anderen Versuche des Bandes und vielleicht ein großer Teil von Handkes Werk insgesamt beschreibt: ein Mäander.
Der Inhalt diesmal, diese Idee des geglückten Tages, wird also vielschichtig aufgefächert und schlängelnd umkreist, der geglückte Tag entspricht natürlich keineswegs dem glücklichen, erfolgreichen, widerspruchsfreien, das Verhältnis von Mangel, Aufgabe, Hindernis zu seiner Überwindung wird weitläufig reflektiert, die Sätze werden länger und länger, es geht literally um Gott und die Welt und natürlich geht es nicht bloß um das Geglücktsein sondern ebenso um den Tag und seinen Unterschied zum Augenblick, zur Stunde, zum Jahr, zum Leben, zum Werk und wer weiß nicht, was noch alles. Ich bin zu faul zum Nachschlagen, denn es ist, (leider, möchte man sagen), nicht wichtig.
Verschiedene Zeitdimensionen werden abgetastet nach diesem Gegenstand und sowohl eine erste, eine zweite, als auch eine dritte Person werden bedient, die bekannte Technik der Selbstbefragung, getragen von der scheinbar permanenten Unzufriedenheit mit dem bisherigen Text. Gegen Ende, man spürt schon sehnsuchtsvoll den abnehmenden Seiten nach, werden dann auch die Sätze wieder kürzer, eine Lösung deutet sich an, der Tag mit dieser Idee, vielleicht die Selbstreferenz, gerät aber ihrerseits noch einmal in den Strudel der hohen Ansprüche, zur Abwertung der Erfahrung und zur Unmöglichkeit.
Den geglückten Tag, so wie der Erzähler ihn sich vorstellt, hat es noch nie gegeben, er ist eine reine Konstruktion, zu der die Nichtexistenz quasi wesenhaft hinzugehört. Die Bewusstheit, die der Text an einer Reihe von Schnittstellen von seiner eigenen Wirkung unter Beweis stellt, ringt abermals großen Respekt vor den handwerklichen Fähigkeiten Handkes ab.
Es mag dem unbescholtenen Leser aber auch ein wenig pubertär vorkommen, wenn der Herr Literaturnobelpreisträger (Entschuldigung, ich will nicht ausfallend werden) einem da nach 52 Seiten dichtem, drögem Lektüreerlebnis verkündet, es sei alles für die Katz gewesen. Und angesichts dieser meiner Befangenheit darf es nicht wundern, wenn ich abermals eine Mahnung bezüglich der zahlreichen orthographischen, ja vielleicht gar grammatikalischen Fehler, insbesondere der Vertauschung der Wörter „mit“ und „mir“ sowie „nicht“ und „nichts“, aussprechen muss. Das Leid dieser Fehler befeuerte meine in Beliebigkeit mündende Skepsis gegenüber der ausufernden Parataxe nur umso mehr. Aber wenn ich mich so echauffiere, scheint Herr Handke ja doch zumindest irgendwas damit geglückt zu sein.
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Foto von Nick Russill auf Unsplash.