Rezension zu Patti Smith: Im Jahr des Affen

Trauerspiel mit Hippiekacke

Eigentlich wollte ich das Buch ja meiner Mutter zu Weihnachten schenken, aber jetzt habe ich es selbst gelesen und kann das als Geschenk nicht mehr vertreten.

Patti Smith schreibt über ihr Jahr 2016, heißt es, im Wesentlichen aber führt sie einen Monolog mit einem Motelschild, das heißt sie verunklart sprachlich die ganze Zeit ihre Wahrnehmungen und Erlebnisse zu müden Trips oder Träumen. Zwei Menschen sterben auf diesem Weg, aber mit stoischer Ruhe geht das auf die 70 zusteuernde lyrische Ich darüber hinweg, lässt den komatösen (Bruder?) Sandy in San Francisco zurück, um Kerouac-mäßig nach San Diego zu trampen und wirft genau in der Art des Beatpoeten sinnlose Episoden mit esoterischen Allgemeinplätzen zusammen, Freunde, die Gedanken lesen können, die Seelen der Toten, die sich an einem besseren Ort tummeln, Bar-, Café- und Reisegeschichten.

Diese Art zu reisen mit den schicksalshaften Fügungen und dem Treibenlassen wirkt einer so alten Frau unwürdig, und die Selbstverständlichkeit, mit der sie ihre verschiedenen Häuser auf der ganzen Welt (gefühlt) besucht und literarische Vorbilder (von Marcus Aurelius bis Roberto Bolaño, natürlich Joyce, Ginsburg, aber auch Bruno Schulz und viele weitere) aneinanderreiht, macht irgendwie keine Lust, das nachzuschlagen. Obwohl ich Pasolinis Medea nie gesehen habe und Bolaños 2066 nie gelesen, wirkt Smiths Begeisterung arg oberflächlich und schlecht informiert, das ganze Buch eher eine flüchtige Reiselektüre voller Allgemeinplätze, geradezu gymnasial.

Das gilt insbesondere auch für die groß angekündigte Referenz auf dieses Trumpjahr, denn der Republikaner wird in kurzen Sätzen als Lügner und Idiot betitelt, sein Wahlgewinn durch nur-24%-der-Wahlberechtigten-Gefasel in Zweifel gezogen, von der Transformation einer politischen Stimmung, von Hoffnungen, Ängsten und Zwist ist im Buch leider nichts zu spüren, schattenhaft huschen mal ein paar mexikanische Immigranten durchs Bild, denen die USA ja so viel zu verdanken hätten, aber dann lässt sich die gute Frau gleich wieder von ihrer eingebildeten Barbekanntschaft in der Wüsste aussetzen.

Bonbonpapier, verschwundene Kinder, literarische Verwirrungen, gefühlt nimmt die Exegese von Bolaños 2066, erstveröffentlicht 2005 oder so, mehr Raum ein als alle politischen und persönlichen Ereignisse des Jahres 2016 zusammen. Und selbst der Traum, den Uluru zu besteigen, die Tour (also die Musikreise mit Band) ist schon geplant, bleibt irgendwo vor dem letzten Drittel hängen, ohne noch einmal aufgegriffen zu werden. Klar, schon nett, dass diese Musiklegende überhaupt so viel liest und ein gutes Leben im Alter führt, aber ihren literarischen und literaturverarbeitenden Qualitäten scheint mir dieser Erfolg leider nicht geschuldet zu sein.

Foto von Damian Denis auf Unsplash