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Rezension zu Max Dax: Dissonanz

Immer nur Seeteufel macht noch keinen Roman

Das Buch versammelt die Beiträge des Autors und damaligen Spex-Chefredakteurs zum gleichnamigen Blog aus den Jahren 2009/10 und schafft es trotz einer Reihe von bemühten Selbstreferenzen und Wirklichkeit-Fiktion-Scheren leider nicht merklich über den Tellerrand der Blogosphäre hinaus.

In der täglichen Wiederholungsschleife von luxuriösem Essen (vornehmlich Seeteufel, Salsiccia, Carpaccio und Peperoncino) und Trinken (Weine, Whiskeys, Champagner), Promibegegnungen/-anekdoten und Playlists gehen die tatsächlich stattfindenden Lebens- und Gefühlsveränderungen größtenteils einfach unter. Inkonsequent werden mal ein paar Tage als „Hamburger“ Tagebuch umklammert, auch gut drei Monate, in denen die eigene Wohnung, vermutlich in Folge einer Trennung, gemieden wird, als Odyssee untertitelt, aber genau diese Details, welche Art von Beziehung da wie zu Bruch gegangen ist, auf welchen Affekten die neuen Liebschaften basieren und warum diese dann nicht funktionieren, werden höchstens angedeutet und dabei meist zu irgendwie musischen Verhältnissen verklärt; von der Kunst jedoch ist wenig zu sehen.

Für Sex und Masturbation ist sich der gelegentliche Ich-Erzähler namens V2 Schneider offenbar zu schade, an den sonstigen Berlin-Plattitüden spart er hingegen nicht: Das Berghain als Gotteshaus, Tilda Swinton hustet, Bob Dylan covert Kraftwerk, FM Einheit hämmert auf Stahlspiralen, der Kotti, die Torstraße, irgendwie ist alles schon mal dagewesen und lockt mich nicht mehr hinter dem Ofen hervor. Die Zukunft des Printjournalismus steht genauso in Frage wie die Möglichkeiten von Identität und Authentizität, der Stadtfuchs wird zu einer mythisch-psychischen Traumgestalt metaphorisiert und nebenbei treten Hinz und Kunz der kulturellen Elite, Arno Schmidt, Deleuze, Farocki und Claude Lanzmann einander auf die Füße, ohne, dass wir ihnen dabei näher kommen.

Mit letzterem (und der dritten, hoffnungslosen Liebschaft) bestreitet Schneider denn auch das Finale, einen mehrtägigen gemeinsamen Ferienaufenthalt zu Interviewzwecken für ein geplantes Buch, welcher den Shoah-Regisseur dumm dastehen lässt, weil dieser zu schnell fährt und zu viele zu junge Frauen begehrt, während er für das Interview keine Konzentration findet (Entschuldigung, blödes Wort, er will einfach nicht und zeigt sich aufgewühlt). In den Details ist das manchmal nett und anfangs macht das Buch auch Lust auf die prominente und luxuriöse Seite von Berlin, aber im Endeffekt hätte diese Momentaufnahme auch im Internet von vor zehn Jahren verbleiben dürfen, denn sprachlich, dramaturgisch, künstlerisch und politisch steckt keine Überraschung in diesem Buch.

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