Rezension zu Martin Suter, Benjamin von Stuckrad-Barre: Alle sind so ernst geworden

Sprücheklopfen im Grandhotel

Das neue Buch als Gemeinschaftsprojekt zweier an und für sich recht belangloser Autoren mit schillernden Persönlichkeiten bietet für ein, zwei Tage mittelmäßige Unterhaltung für alle, die eh nach nichts anderem suchen.

Inszeniert werden die nur mit wenigen kreativen Ausnahmen dialogisch aufgezogenen Beiträge über Gott und die Welt als urlaubsartige Zusammentreffen in einem Grandhotel an der Ostsee. In sozusagen freier Assoziation und vermeintlich quick witted stolpern die Beiden durch Anekdoten und Befindlichkeiten, diskutieren Bademoden, Drogenerfahrungen und die Tücken der Digitalisierung und erfreuen sich an der allgemeinen Lockerheit ihrer luxuriös exaltierten Leben, welche sie der im Text nicht weiter ausgeführten Ernsthaftigkeit der zeitgenössischen Verhältnisse irgendwie entgegen- oder einfach bloß vorsetzen.

Klar, irgendwas kann man immer lustig finden: Suters knallorangene Badehose, Stuckrad-Barres lässige Selbstreflexion über Drogenabhängigkeit und Magersucht, das Auseinanderklaffen der Erfahrungshorizonte bei Themen wie Kochen oder Musik, aber trotzdem wirkt das ganze Format wie eine total lieblos hingeklatschte Selbstbespaßung, die mit einiger Koketterie zwar aufgelockert, aber nicht wirklich interessant.

Bei mir bleibt eigentlich nur der Neid hängen, „dass die sich das erlauben können“, so ein Buch zu machen und so ein Leben zu führen, während sie sich altbackene Literaturtipps von Carl Seeligs Spaziergänge mit Robert Walser bis zu Bartleby, the Scrivener zustecken. So gut wie alle Spuren und Witze bleiben an der Oberfläche, die inszenierte Freundschaft fällt mir ihrer gefühlten Uninformiertheit auf, wenn Suter über Stuckrad-Barres Magersuchtvergangenheit einfach hinwegredet und sich an der Ziel- und Sinnlosigkeit ihrer Gespräche erfreut (wahre Freundschaft!).

Insofern, ich habe es aus einer anderen Rezension im Kopf, erweist sich der Versuch, der iPhone-Stimme Siri ein Gespräch abzuringen, als irgendwie paradigmatisch für den Band, obwohl damit schon wieder zuviel gesagt ist: Weder zwischen den beiden Autoren/Dialogpartnern noch zwischen Text und Leser*in treten virulente Kommunikationsprobleme in Erscheinung, es herrscht ein heiter-wolkiges Einvernehmen ohne jedes Konfliktpotenzial, es sei denn, die Aussprache des Wortes Ibiza betreffend. Dafür gibt es viele Möglichkeiten, aber hier im Buch wird doch nur Altbekanntes neu verpackt, gespickt mit Langeweile und Beliebigkeit. Empfohlen von Christian Kracht, Ferdinand von Schierach, Sybille Berg: Wenigstens die Marketingmaschine für Mittelmaß als Bestseller läuft wie geschmiert.

Foto von Kido Dong auf Unsplash