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Rezension zu Kathrin Röggla: besser wäre: keine

Hört auf, Gutes zu tun!

Der Band von 2013 versammelt unterschiedliche Texte, namentlich Essays und Theaterstücke, der Autorin aus den vorangegangenen ca. zehn Jahren. Im thematischen Zentrum stehen dabei Krisen und Katastrophen, der elfte September, diverse Naturkatastrophen, Bürgerkriege, die Finanzkrise, die Klimakrise, diese ganzen Ereignisse, die die Menschen damals schon an ihre Grenzen brachten. Röggla schreitet genau diese Grenzen ab, sie bewegt sich über die Peripherie der Krisen; es geht ihr weniger um die singulären Ereignisse als vielmehr um die Vermittlung und das Management derselben.

Die Essays begleiten ihre Recherchen, auf denen sie sich mit Entwicklungs- und Katastrophenhelfer*innen, mit Fonds- und Krisenmanager*innen, mit Expats und allen möglichen Menschen zusammensetzt, die das westliche Denken und Wirtschaften in alle Welt zu tragen versuchen. Also, Teile davon. Schnell wird nämlich klar, dass die Akteure, selbst wenn sie es gut meinen sollten, oft eher Teil des Problems als der Lösung sind. Da versinken Spendengelder in der Verwaltung und Infrastruktur, Projekte werden eingestampft, weil sie nicht genug Geld ausgeben, Paternalismus und Selbstgefälligkeit wechseln sich mit dem Burnout, der Ortlosigkeit und dem hehren Scheitern der Helfenden ab.

Geschickt führt Röggla in die entsprechenden Sprachwelten ein, oder vielmehr sie wirft uns hinein, in die Geflechte von UN, Unesco, UNHCR, WHO, ADA, Aisec, DAAD, in das technische Kosten-Nutzen-Vokabular der Unternehmensberatung mit seinen key values, human resources, cash flow, blabla, denke ich beim Lesen, aber diese Flut halsbrecherischer Abkürzungen (nicht unbekannt, aber ohne Lexikon nur schwer differenzierbar) und euphemistischer Anglizismen tut ihre Wirkung: Sie erdrückt mich. Es ist so absurd, wie diese Leute reden, man möchte am liebsten jeden Begriff einzeln zerlegen, aber es wird deutlich, dass das nicht an den einzelnen Menschen hängt. Diese Sprache selbst hat das Ruder übernommen, hat ein ganzes System geschaffen mit Coachings und Gruppentherapie für Heimkehrer; Unzulänglichkeiten und Gefahren sind allen Teilnehmer*innen bewusst, aber man kann eben nichts ändern, und man will ja auch selbst irgendwie über die Runden kommen.

Die Theaterstücke zeigen diese Peripherie eindringlich: Wir sehen Journalist*innen, die im Flughafenhotel festsitzen, während draußen geputscht wird, die Selbsthilfegruppe der Zurückgekehrten, die sich irgendwie verloren haben, aber auch nicht reden können oder wollen, die Übersetzer*innen einer Konferenz, denen das Thema aus den Händen gleitet. Die Wirklichkeit verschwimmt. Mit einem poetikhaften Essay zum Realismus endet der Band.

Einzig, wie Röggla den theoretischen Rahmen ihrer Essays mit Namen wie Naomi Klein, Harald Welzer, Michael Moore, Michel Foucault und Gilles Deleuze bespannt, wirkt ein bisschen populärwissenschaftlich, vielleicht altbacken. Die Thematik von Krise und Management jedoch hat bis heute nichts von ihrer Brisanz eingebüßt. Mir wird fast wehleidig zumute, wie fulminant sich Röggla noch über die Politik George W. Bushs aufregen konnte, jetzt, wo wir Donald Trump auf Twitter folgen können. Ich sympathisiere mit dem Fazit zu all diesen Hilfsangeboten von internationalen Expert*innen, auch wenn es für manchen zynisch klingen mag. Besser wäre: keine.

Geschrieben im Juli 2019.

Foto von Naveed Ahmed auf Unsplash

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