Rezension zu Jörg Fauser: Alles wird gut
Der große Coup bleibt aus
Man findet sich ganz gut rein in diese Welt des Nachtlebens und des Zwielichts, in der die Schriftsteller, Schieber und Anarchisten, die Trinker, Propheten, Aufreißer und Abgehängten ihren Geschäften nachgehen. Ein paar Tage, gefühlt, vielleicht auch nur zwei, folgen wir Johnny Tristano durch den Bauch der Stadt, durch Kneipen, Etablissements, Wohnungen, Dachböden, Hinterhöfe und unter die Brücke. Tristano ist ganz der schriftstellerische Beobachter, während der Deals wartet er bei den Frauen, am Tresen döst er auch mal ins Delirium.
Der Alkohol, das Werk, die Frau sind die Dinge, denen es sich zwischendurch hinterherzujagen lohnt. Vom Werk ist natürlich nichts zu sehen, zu hohe Ansprüche, mit Gedichten hat er aufgehört, mit Politik nichts am Hut. Die Frau, stellvertretend für alle Frauen, kommt nicht zur Sprache, er trifft eine Rothaarige bei den Mülltonnen, völlig zu, textet sie voll und verspricht ihr den goldenen Schuss, verspricht sich den goldenen Samenerguss, aber mit der quasibewusstlosen Heroinabhängigen im fremden Treppenhaus bekleckert er sich nicht gerade mit Ruhm. Sie schreit ein Lachen, die Nachbarn jagen den zur Vergewaltigung Ansetzenden davon.
Die Sprache und Gesprächsthemen sind ein guter Schnappschuss dieser Zeit und dieser Szene, bodenloses aber hochgestochenes Gerede, so viel Philosophie, Politik und Schieberei mit Konsequenzen in orientalischen Opiumhöhlen traut man einem realistischen Trinkerabend dann doch nicht zu, ist aber amüsant. Nur die Geschichte bleibt ein bisschen auf der Strecke, die Typen sind alle schon bekannt (auch mit Tristano), die Abfolge der Lokalitäten erscheint willkürlich und die Unterschiede zeichnen sich fast nur in der Qualität der jeweils verfügbaren Alkoholika ab.
Überhaupt, dieser Fokus auf Alkohol und Zigaretten. Es wird nur minimal gekifft und gekokst, über Heroin und Speed dafür ein Schwall geredet, aber das ist doch schade, wenn die Geschichte der Figuren hinter ihren Geschichten zurückbleibt. Für heutige Berliner Verhältnisse verbringen da doch nur ein paar alte Herren ihre langweiligen, drogenfreien Nächte in der Kneipe und freuen sich schon, wenn sie bloß den Sonnenaufgang erleben. Beziehungsweise ängstigen sich gar davor, als käme ein Betrunkener vom Straßenrand sofort ins Irrenhaus. Aber vielleicht war das damals ja auch wirklich so, in München.