Rezension zu Iris Hanika: Echos Kammern

Autoreflexives Geschwafel

Sophonisbe will ein Buch schreiben, kriegt es aber nicht auf die Reihe. Sie reist nach New York und erlebt dort ein Wunder, weil sie zu dumm und zu arm ist, die Stadt zu begreifen. Sie besucht irgendeinen Ball in Beyoncés Luxusanwesen, ansonsten läuft sie nur die üblichen Straßen Manhattans entlang und wundert sich über kleine Grünflächen, kleine Cafés und kleine Wohnungen.

Irgendwie stolpert ihr Ungarn über den Weg, das wegen periodischer Unruhen oder Unflätigkeiten wohl gerade seine 15 Minutes of fame hatte. Sophonisbes Manuskript, mit dem die Leserin seitenweise gequält wird, ist in einer „selbst erfundenen Sprache“ verfasst, die sich im Kern als Deutsch mit englischer Grammatik beziehungsweise schlechtes Deutsch charakterisieren lässt.

Die beinah-auktoriale Erzählperson namens Wolfgang oder so, deren Verhältnis zu den Figuren unklar bleibt, springt immer, wenn es mal wieder todlangweilig oder scheiße oder touristisch wird, ein, um genau diese Tendenz des Zuvor-Geschriebenen zu benennen, ohne ihr aber etwas abgewinnen oder entgegensetzen zu können.

Sophonisbe trifft Josh, einen Doktoranden, den sie hasst, und anschließend den reich verheirateten Bruder einer Jugendliebschaft (Upper Eastside blabla). Über das Ungarn-Thema verkoppelt sie den Doktoranden mit der Ehefrau jenes Jugendliebschaftsbruders, und dann wechselt die Handlung nach Berlin. Dort kommt Sophonisbe bei Roxana, der Jugendliebe des Bruders ihrer Jugendliebe in der prächtigen Charlottenburger Wohnung unter, obwohl auch diese beiden, ist das nicht lustig?, sich absolut nichts zu sagen haben. Als aber der Doktorand dann zu Besuch kommt, verknallt sich Roxana in den 25 Jahre Jüngeren auf den ersten Blick. Das ist das große Ereignis des Buches, welches in vielen Anläufen als wahnhaft, Verrücktheit, Aus-den-Fugen-Geraten, reif für die Klapse, welt- und lebenserschütternd tituliert wird, obwohl weder äußerliche noch innerliche Anzeichen irgendeinen dieser Ausdrücke rechtfertigen würden.

Die beiden reden nur Müll, alle reden permanent Müll, abgesehen von dem einen Ungarn-Gespräch, sie essen Kekse und absolvieren das Berliner Touriprogramm für alte Leute und dann, als das New Yorker Ehepaar nach Berlin hinterhergereist kommt, flüchtet Roxana komplementär in deren Wohnung nach Mahattan und hat einen Katharsismoment (Reinigung von was nochmal? Verliebtheit in einen Jüngeren?). Die erste große und unglückliche Liebe Sophonisbes wurde in der Zwischenzeit, wie sie es sich seit Jahrzehnten gewünscht, in einen tödlichen Fahrradunfall vor ihren Augen verwickelt. Bullshit.

In ornamentalen Schleifen der Selbstinterpretation wird eine lückenhafte und schlecht funktionierende Dramaturgie zur Kunst der Nichtkommunikation verklärt. Orchideenhaft prangen da ein paar gutbürgerliche Kulturgüter am Dachfirst dieser primarschulischen Lehmhütte von einem Text, dessen Held*innen ja leider nicht wie die titelgebende Echo und ihr selbstverliebter Jüngling bald das Zeitliche segnen, sondern wahrscheinlich auf ewig blöd vor sich hinexistieren. Die ganze Sprache mit ihren aufgeblasenen Dialekten und Akzenten und ihren hässlichen, alltäglichen und schlecht sitzenden Bildern, denen die Verhältnisse nicht gerecht werden, kann man wirklich in die Tonne kloppen. Und sowas gewinnt den Preis der Leipziger Buchmesse gegen das letzte Meisterwerk Friederike Mayröckers? Unerträglich.

Foto von Chris Barbalis auf Unsplash