Rezension zu Hesiod: Theogonie

Die Beischlafbibel

Ich weiß nicht, was ich erwartet hatte, aber irgendwie bin ich enttäuscht. In allererster Linie nämlich liefert die Theogonie eine Liste von heterosexuellen „Umarmungen“, deren Gewaltpotenziale vielfach verdeckt und die allgemein in ihren Motiven und Hintergründen unklar bleiben.

Während ich hoffte, auf einzelne, konkrete Entwicklungen, feingliedrige Unterscheidungen und überraschende Formulierungen zu stoßen, stieß ich auf eine stumpfe Stammbaumelei, die sich in einer wiederkehrenden Eintönigkeit ruhmreicher, fesselschöner, schönwangiger, blondlockiger, donnergröhlender, erderschütternder und Krummes sinnender Gottheiten erschöpft.

Die wenigen guten Stellen indessen, die Entmannung des Kronos, das Schimpfen auf das Joch der Vaterrolle, die Dionysosgeburt, waren mir aus ihrer Bearbeitung durch Jelinek und andere bereits besser bekannt, als sie hier im Text überhaupt auftraten. Natürlich hat Jelinek die Rosinen aus dem Text gepickt und es gibt dort nicht noch so viel mehr zu entdecken, Jelinek wäre ja schön dumm, so einen Text zu bearbeiten, aber nicht alle Knaller mitzunehmen, na gut.

Immerhin liefert Hesiod einen gedrängten kanonischen Überblick über Namen und Genealogien der antiken Götterwelt, und es ist wirklich spannend, wer dabei wie viel oder wenig Platz erhält. Hekate, die Hekatoncheiren und Typhoeus stehen dabei deutlich im Plus, während Apollon, Aphrodite, Poseidon und viele andere nur stichwortartig ins Gewicht fallen.

Die Übersetzung von Otto Schönberger jedenfalls bereitet mir wenig Freude; biedere und gestelzte Formulierungen geben stehenden Wendungen die Klinke in die Hand, die Namen der Götter und ihre Bedeutungen werden willkürlich hin- und hergeschoben, der Wortschatz wirkt simpel, aber ebenso undurchschaubar, die Übergänge vom Bestialischen, Furchtbaren, Zweifelhaften zum Ruhmreichen, Fesselschönen und Großzügigen sind fließend.

Meine ausladende Skepsis aber darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen Grundlagentext von unglaublicher Tragweite handelt, dessen schnelle Lektüre zwischendurch mit Sicherheit alle paar Jahre mal anzuraten wäre.