Rezension zu Hans Henny Jahnn: Medea

Es gibt nichts Gutes, nirgendwo

Medea ist schwarz. Diese einleuchtende Prämisse erhellt ihre abgesonderte und fremde Stellung in Korinth. König Kreon und auch Jason ergehen sich in rassistischen Tiraden, die der Heliosenkelin das Menschsein absprechen und sie zum Tier erklären, dem sie jedes Recht und Anerkennung verweigern.

Dabei beginnt alles recht harmlos, mit den Söhnen, deren älterer erwachsen wird, wonach auch der jüngere sich sehnt. Jason, dank Medeas Zauber ewig jung geblieben, während diese sichtbar altert, tritt redlich noch bemüht auf, sich um seinen Älteren zu kümmern und gar der Ehe Pflichten zu erfüllen, von denen er sich einen halben Mond lang nun, na gut, hat ferngehalten. Er verspricht, Medea noch am Abend zu beschlafen und dem Sohn, der frisch in König Kreons Tochter sich verliebt, im Palast um ihre Hand zu werben. Hier erst startet der Skandal, man möchte es kaum glauben, was der Bote Kreons überbringt: Nicht für seinen Sohn, nein, für sich selbst gefreit hat Jason um der Königstochter Hand, zwei Versprechen brechend in nur einer Handlung.

Medea ist außer sich, lässt dem zweifelhaften Boten die Augen ausreißen und verlangt, den König selbst zu sehen. Der Bote doch hat wahr gesprochen, Kreon bestätigts voll rassistischer Klischees, unmenschlich seien sie und ihre Söhne, Schwarze, Ausländer liebt er nicht und gäbe seiner Tochter Hand niemals in diejenige eines solchen. Die ausländische Ehe habe keinen Grund und Jason sei ein strammer Grieche, also gerade recht. Ein Bote spricht Medea die Verbannung aus, als wäre die Befolgung eine Aufgabe zum Beweis ihrer Menschlichkeit, was sie nur tief in die Erfüllung des Klischees drängt. Jason beteuert, nicht ihre Hautfarbe, sondern ihr Alter sei es, seine Jugend, was ihn von ihr wegzieht.

Nun denn, Medea schickt also die prunkvollen Geschenke, ohne große List, allein der Glanz des Goldes und die göttliche Bedeutung lassen Kreon, Jason und Prinzessin jauchzen. Das Kleid, eher so ein goldnes Bondage-Harness, muss der geile Jason seiner Braut gleich an- und ausprobieren, benommen schildert er, wie die Braut dabei ergraut, verfault, sich platzend aufbläht und in Kot verwandelt. Dem König mit dem Ring ergeht es ähnlich detailliert, das Ausmaß der Gewalt, wie alles in dem Stück, ist ausgesprochen deutlich. Die Söhne kopulieren miteinander, als die Mutter sie durchsticht, der Reichtum an Andeutungen von homosexuellem, inzestuösem, unfreiwilligem und padöphilem Sex könnten wahrscheinlich Bände füllen.

Jedenfalls, Jason liebt die Kinder doch und steht jetzt ohne da, weinend, Medea mit den eingepackten Leichen auf dem Wagen lächelnd ab, nachdem sie noch eine todbringende sexuell übertragbare Krankheit über ihn verhängt. Zurück bleibt die enttäuschte Dienerschaft, auch sie dem Untergang geweiht.

Stilistisch prägnant brechen, zerstückeln und platzen nicht bloß die Körper, sondern ebenso die Verse. Figuren verzweifeln am Finden der richtigen Worte in der angemessenen Form, Wiederholungen, Abbrüche, Scheitern und Schweigen durchziehen die Rede ganz wie ich es mag. Das ist nun also dreiundneunzig Jahre alt, was bleibt uns noch zu tun? Dass sich der Rassismus immer selbst bestätigt finden muss, ist doch ein Elend, doch die Tragödie bestreitet Sympathien. Ein altes Problem wohnt in der Frage, ob die Schuld an eignen Taten anderen auch anzulasten ist. Jasons Unschuldsbekundung jedenfalls ist ganz so überzeugend nicht; andererseits, wer will schon Terrorismus? Ein offener Konflikt.