Rezension zu Greta Gerwig: Barbie

Berauschender Klang der Werbeglocke

Eine riesige Kampagne hat diesen Film an den Start gebracht und drückt sich in ihm aus, und das mit ungeahntem Erfolg. Barbieland ist eine feministisch-fröhliche Utopie und Antithese zur echten Welt. Die Botschaft, die ich nicht unbedingt mit diesem nett anzusehenden, aber eher beschwerlich zu handhabenden Plastikspielzeug in Verbindung gebracht hätte, wird in historisch anmutenden (aber wohl kaum verifizierbaren) Querreferenzen auf die Leinwand gebracht: Barbie - als Stellvertreterin der Frau an sich - kann alles sein, Präsidentin, Nobelpreisgewinnerin, Astronautin und das Ganze auch noch in allen Ethnien, Körperformen und Behinderungsgraden.

Aber es schleicht sich eine Störung ins vermeintliche Paradies, weil die Raum-Zeit-Schranke beziehungsweise die Kausalitätsgesetze zwischen Real World und Barbieland aus den Fugen geraten. Die stereotype Barbie (Margot Robbie) macht sich also, unfreiwillig begleitet vom passenden Ken (Ryan Gosling) auf die Reise in unsere Welt, um dem Quell ihrer aufschimmernden Depression und flachen Füße auf den Grund zu gehen.

Mit pointiertem Witz stoßen die beiden auf das Patriarchat der Gegenwart (der 90er Jahre), welches der ehrgeizige, aber nicht ernst genommene Ken sogleich zurück nach Hause importiert, während Barbie noch mit ihrer depressiven Bezugsperson/Besitzerin und deren pubertierender Tochter anbändelt und sich gegen die Men-in-Black-mäßigen CEOs des Mattel-Konzerns in Stellung bringt, bevor sie vor deren techno-suggestiven Übergriffen in Begleitung des Mutter-Tochter-Gespanns zurück nach Barbieland flüchtet.

Dort jedoch hat sich inzwischen ein aberwitziges pandemisches Patriarchat ausgebreitet, im Kendom prahlen die Boys mit ihren Muskeln und Pferden, während die Frauen nichts anderes tun als den Herren Bier auszuschenken. Mühselig gelingt es den drei Wieder- bzw. Neuangekommenen, die Gehirnwäsche durch politische Agitation aufzuheben, um anschließend die testosterongeladenen Beach Boys gegeneinander auszuspielen und sie den eigens zur andokratischen Verfassungsänderung anberaumten Kongresswahltag vergessen zu machen.

Barbieland ist also mehr oder weniger durch Manipulation der manipulativen Wahlen gerettet, da können selbst die CEOs nur staunen, und trotzdem wurde die Utopie in ihrer affizierten Künstlichkeit entschleiert, so dass die Hauptfigur selbst sich dem gnadenlosen Leben in der Wirklichkeit verschreibt: mit ihrem ersten Besuch beim Gynäkologen.

Die Dramaturgie verläuft zwar nicht gerade feinsinnig psychologisch motiviert, bietet mit den Antipoden Frau/Mann und Real/Fake jedoch eine rasante Abfolge von liebevoll gestalteten Ereignissen, die vor Wortwitz, Emotionen und grandiosen Bildern nur so sprudeln. Das Image der in die Jahre gekommenen Plastikfigur dürfte durch diese schonungslos selbstironische und entschlossen politische Kampagne im glamourösen Kleid eines Arthouse Movies auf Jahre gerettet sein. Die Stimmung und Hingabe auf der Preview sucht jedenfalls in der Kinogeschichte ihresgleichen und auch ich habe jetzt richtig Lust auf pink.