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Rezension zu Ferdinand Schmalz: Mein Lieblingstier heißt Winter

Von Rehragout getrieben

Franz Schlicht, fahrender Tiefkühlkostvertreter, rutscht unentrinnbar in menschliche Abgründe. Doktor Schauer, ein in die Jahre gekommener und auf Rehragout fixierter Stammkunde, betreut den psychologisch versierten Verkäufer mit einem letzten Auftrag, nämlich den zukünftigen Leichnam des krebskranken Doktors und angehenden Selbstmörders aus der zu diesem Zweck angedachten Tiefkühltruhe zu bergen und naturgemäß, heimlich und illegal, zu bestatten.

Das angebotene Geld spielt eine Rolle für Schlicht, aber als er mit leichter Verspätung keinen Leichnam in der verabredeten Tiefkühltruhe vorfindet, packt ihn auch eine Mischung aus Ehrgeiz und Pflichtgefühl, die ihn, angetrieben von der Tochter des Verschollenen, auf eine wilde Recherche führt.

Abgründe tun sich auf an den Stationen, an denen zunächst nur nach dem Verbleib des Doktors geforscht wird, da mauert sich Huber, ein paranoider Prepper-Ingenieur, in seine eigenen vier Wände ein, der Landrat (?) Kerninger verstrickt sich in seine Vorliebe für Christbaumschmuck aus der NS-Zeit, eine Reinigungsgesellschafterin und ein Blumenhändler führen organisiert kriminelle Schattenexistenzen und ein Haufen ungeklärter Selbstmorde stapelt sich im Leichenschauhaus.

Nach und nach tritt unter den bürgerlich scheinenden Existenzen ein dunkles Netzwerk voller Erpressung, Korruption und Mord zu Tage, während zugleich ein verbreitetes Interesse/Zweifel am Sinn des Lebens und einem selbstbestimmten Tod die morbiden Charaktere beflügelt. Von verschiedenen Seiten gerät Schlicht, in Vorzeiten bereits in die Erpressung Kerningers involviert, für die er hat übel büßen müssen, ins Lauffeuer der Kriminellen und Verrückten und wird gar (für 17 Minuten) lebendig begraben.

Am Ende findet er den gesuchten Doktor Schauer, mehr oder weniger lebendig, in einer Art Kryokammer inmitten eines stillgelegten Dinosauerierparks, genauer gesagt im Bauch eines der Ausstellungsstücke, aber ein Erfolgserlebnis will sich angesichts des Doktors Mangels an Einfühlungsvermögen und der verheerenden Strapazen nicht wirklich einstellen. Auf das Wunder, wie verrückt die Welt doch ist (wie in einem Buch!) wird dann aber mit dem besten Freund genüsslich ein Bier gekippt.

Wie schon an anderer Stelle bedient sich Ferdinand Schmalz einer Grammatik, die von starken Verfremdungseffekten geprägt ist, insbesondere bleiben die Verkürzung der Infinitive und die Verdopplung der Sub- und Objekte im Gedächtnis, die ihm, dem Erkenntnisfortschritt, ästhetische Steine in den Weg legen. Das ergibt einen netten eigenen Sound, der nur ein wenig zu formalistisch daherkommt, sich von den Inhalten zu sehr löst, um ihn mit Jelinek und der ganz großen Sprachkunst in ein Boot setzen zu wollen. Von der üblichen Schreibseminar-Befindlichkeit der Literaturabsolvent*innen hebt sich dieser Text jedenfalls wohltuend ab.

Foto von Vitor Fontes auf Unsplash

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