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Rezension zu Ferdinand Schmalz: der tempelherr

Stadt Land Fluchten (Bremsen)

Heinar und seine schwangere Frau Petra wollen von der Stadt aufs Land ziehen. Mit finanzieller Unterstützung seines Schwiegervaters nimmt Heinar den Hausbau selbst in die Hand, er tut nichts anderes als bauen, kein einziges Wort verliert er im ganzen Stück. Die anderen Figuren aber, außer den bisher genannten noch sein bester Freund Markus und ein befreundetes Ehepaar, konstruieren in einer narrativen Versform das Gerede und die Ereignisse. Da geht es um die Landflucht und die Wesenskonflikte zwischen alteingesessenen Dorfbewohnern und forschen, eigenwilligen Städtern, aber auch um die konkreten Schwierigkeiten und Verantwortungen, die dem frischgebackenen Bauherrn über den Kopf wachsen.

Er verrennt sich mit Kreativität, Ansprüchen und Geld, und in einer Art verdrängender Überschlagshandlung beginnt er, statt des erwarteten Einfamilienhauses eine ganze Reihe altgriechischer Tempelanlagen zu errichten, die ihm zwar eine spirituelle Befriedigung verschaffen, unter Freund*innen, Familie und Dorfbewohner*innen jedoch bloß Kopfschütteln hervorrufen. Die Tempel sind derart sinnfrei, sie passen nicht in den Ort und auch nicht in die Zeit, und das unablässige Weiterbauen weckt Zweifel an Heinars Familienfürsorgequalitäten bis hin zu seiner geistigen Gesundheit.

Als Menetekel und Verkörperung der Widrigkeit der Natur beißt sich eine Bremse durch das Stück, deren Facettenaugen auch aus dem Gesicht des zwischenzeitlich geborenen Kindes funkeln, es mehren sich Anzeichen für eine Affäre zwischen Petra und Markus, aber nichts davon erreicht Heinar. Die Redenden sorgen sich um Mutter und Kind und den Zustand der Ehe, wollen sie aus der gescheiterten Beziehung und dem abdriftenden Bauprojekt herausholen, argumentieren mit dem Kindeswohl, aber da ist es schon zu spät, der inzwischen lauffähige Sohn erklimmt eine ungesicherte Leiter, blickt in die Sonne, stolpert, fällt und bricht sich alle möglichen Knochen, nachdem die Tempelbaustelle, durch eine Fernsehsendung ins öffentliche Rampenlicht gezogen, großen Zulauf bauwilliger Antike-Fans erhalten hat, die sich um Heinar zu einer sektenartigen Struktur organisieren.

Heinar trägt die Verantwortung für den Unfall, interessiert sich aber nicht für das ihm nun entzogene Kind, er geht für zwei Jahre in den Knast, aber fährt danach weiter wie zuvor, bauen, bauen, bauen, dass ein riesiger, labyrinthischer Komplex entsteht, ihn dem der Bauherr irgendwann verlorengeht. Ambitioniert, aber tragisch steht das unzeitgemäße Lebenswerk da, bis am Ende noch einmal die unangenehme Distraktion eines Bremsenbisses die Handlungsstruktur abschneidet.

Die Versform und ihre Sprache erscheinen prinzipiell nett, aber doch eigenwillig, wiederholt treten Pronomina mit ihrem Bezeichneten nebeneinander, er, der Heiner, es, das Bewusstsein, gefühlt dient das einer Rhythmisierung, die mir aber unbekannt, reduziert, umgangssprachlich, unschön erscheint, ein eigener, aber zum Inhalt in keiner Beziehung stehender Sound. Die Wortwechsel, in denen den wenigen Sprechenden die Stimmen von Zaungästen und Medien, ja ein ganzer gesellschaftlicher Diskurs, in den Mund gelegt werden, sind jedoch sauber und prägnant gearbeitet. Die Bremse als Menetekel wiederum erinnert eher an ein Seminar zu theaterwissenschaftlichen Grundlagen. Ich bin jedenfalls entschieden unentschieden, sprachlich fetzt mir das einfach nicht genug, da steht keine Bedeutung auf Kippe/Klippe, einzig der inhaltlichen Romantisierung des Ausbruchs/Aufbruchs in die Antike kann ich noch einiges abgewinnen.

Foto von Subhajit Das auf Unsplash

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