Rezension zu Eva Illouz: Warum Liebe endet

Überdruss

Obwohl alles stark nach Ratgeberliteratur riecht, scheint es sich bei diesem Buch um eine gar nicht mal allzu populär-wissenschaftliche Arbeit zu handeln (inhaltlich betrachtet, die Verkaufszahlen sind eine andere Frage). Mit einem soziologisch-philosophischen Ansatz - von Marx bis Harry G. Frankfurt kommen einige Größen mal für einen Satz zu Wort - wendet sich die Autorin diversen Phänomenen des Nicht-(mehr-)Liebens zu.

Für das Grundgerüst hätte es allerdings kein ganzes Buch gebraucht, es besteht bloß aus der Ablösung gesellschaftlicher Verantwortung durch persönliche Autonomie und der zunehmenden Warenförmigkeit der Körper und Gefühle (und ihrer Trennung voneinander). Früher war alles einfach und streng geregelt, heute ist alles kompliziert und ungewiss. Die Auswüchse des Marktes auf Tinder und co. lassen die sexuellen und emotionalen Beziehungen in einem riesigen Konkurrenzdruck vergleich- und austauschbar werden, während das psychotherapeutische Geschäft dazu beiträgt, dem Selbstbewusstsein gegenüber dem Anderen und gegenüber der Arbeit an einer Beziehung den Vorrang zu geben.

Den überwiegenden Teil des Buches aber füllt einerseits die Repetition klassischer Geschlechterklischees emotionaler Frauen und erfolgreicher Männer, sowie die unwidersprechliche Kritik an nach wie vor patriarchalen Verhältnissen. Statt um Liebe, deren Ende und/oder deren Schwierigkeiten bis Unmöglichkeiten geht es überwiegend doch nur um popkulturelle Phänomene von Dickpics bis zu Ghosting und was das mit den Frauen macht. Die Beispielauswahl erscheint dabei grob willkürlich, gerne werden anonyme Forenbeiträge von Quora zitiert, um daraus irgendwelche Weisheiten über das Datingleben heutiger Teenager zu gewinnen, belastbare Daten etwa zu Polyamorie und sonstigen Beziehungsentwürfen lassen sich hingegen ebenso wenig finden wie eine Abklärung eventueller Idealvorstellungen, an denen gemessen sich die tatsächlichen Beziehungen doch nur als lahme Kompromisse betrachten lassen, was sich doch folgerichtig dann auch artikulieren lässt.

Während für Illouz weitgehend unhinterfragt Punkrock auch bloß ein Konsuminteresse darstellt wie jedes andere auch, verdienten doch gerade die weitläufigen Verästelungen von Hoch- und Subkulturen, die Spezialisierung und Professionalisierung von Interessen und Meinungen im spätkapitalistischen Zeitalter eine besondere Beobachtung. Obwohl es sich um ein dickes Buch handelt, hat man den Eindruck, in einem Essay zu stecken, weil viele experimentelle Ausflüge gewagt, aber wenig fundiertes Wissen zu Ende gedacht wird.

In der Danksagung dann noch einem extravertierten Hype um soziale Korrekturphasen und fetten Geldgebern wie dem Humboldtforum begegnen zu müssen, halste mir als aller Bande entledigtem Individuum dann doch noch einen ordentlichen Einsamkeitsschub auf, aber auch die Herausforderung: Einfach doch ein fettes, geiles Buch ganz alleine zu schreiben. Das Vertrauensproblem ist ja nicht bloß eine Folge von Ungewissheit und Enttäuschungen, sondern lässt sich genauso gut mit ignoranter Selbstverherrlichung erklären. Ab und zu durchaus ein Vergnügen, sich den sogenannten neuen Scheiß mal reinzuziehen, um 0,1 Vorurteile zu überdenken und 9,9 bestätigt zu finden.

Foto von Fred Moon auf Unsplash