Rezension zu Erich Fromm: Die Kunst des Liebens

Vita activa oder der hoffnungslose Optimismus

Die sechziger Jahre, diese apokalyptische Zeit, heißt es im Nachwort, das den Glauben an das Gute, an den Menschen propagiert. Die Liebe ist kein Zufall, lehrt uns Fromm, sondern eine Kunst, und entwickelt eine ganze Psychoanalyse des modernen Menschen und der Welt daraus.

Im Zentrum des Buches steht das Getrenntsein des Menschen von der Welt. Wir kennen ja dieses Problem, anscheinend, Adam und Eva werden aus dem Paradies geschmissen, Kultur versus Natur, die Nabelschnur wird durchgeschnitten, irgendwann ziehen die Kinder aus und einsam sind wie alle mal. Fromms System wirkt heute etwas altertümlich, mit seiner Lehre von den Geschlechtscharakteren, aktiver Mann, passive Frau, Geist und Körper, bedingungslose Mutterliebe und fordernde Vaterliebe, aber man kann da schon mitgehen, irgendwo findet man sich schon wieder, immerhin an der kapitalistischen Gesellschaft lässt er keinen grünen Zweig.

Fromm dekliniert also mögliche Lösungen und Irrwege des Problems, das Orgiastische, die produktive Arbeit und das Nationalgefühl sieht er schädliche, temporäre und krankhafte Gemeinschaften konstruieren. Stattdessen also: Die Liebe, und zwar die richtige, nicht irgendsoeine Verliebtheit oder sexuelle Angezogenheit. Um die richtige Liebe zu erlernen, müssen wir bei uns selbst anfangen mit der Psychoanalyse. Wir müssen checken, dass wir von der Mutter genug geliebt wurden und die Ansprüche des Vaters erfüllt haben, wir müssen beide Prinzipien verinnerlicht haben und unsere eigene, unverrückbare Identität, unseren Wesenskern, das Ich, darauf aufbauend konstituiert haben. Wir müssen mit uns selbst sein und zufrieden sein können, wir brauchen ein aktives, produktives Leben, Selbstverwirklichung und viel Meditation.

Es geht nie um einen einzelnen Menschen, sondern wir müssen lernen, die ganze Menschheit zu lieben und an sie zu glauben, daran, dass sie irgendwann doch die herrschaftsfreie Gesellschaft hervorbringen wird. Wir müssen immer voll bei der Sache sein, nicht rauchen, keine Kriminalromane lesen, immer gut zuhören und mehr geben als nehmen, denn das macht uns alle reich. Die wahrhaft Liebenden sind eine Ausnahmeerscheinung, die derzeitige Gesellschaftsordnung ein Moloch, aber irgendwie wird es schon gehen.

Schön ist es, wie er auf wenigen Seiten die aristotelische Logik einer paradoxalen gegenüberstellt, ohne weiter auf die Konsequenzen eingehen zu können. Nur zwischenzeitlich ging mir die Bedeutung im Wust der abstrakten Begriffe mal verloren, aber das mag auch daran gelegen haben, dass ich nicht genug bei der Sache war. Er hat ja recht, irgendwie, aber der Glaube an den Menschen fällt in unserer heutigen, immer noch apokalyptischen Welt doch schwer.

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