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Rezension zu Elfriede Jelinek: Der Tod und das Mädchen

Schönheit, Glaube, Wahrheit, Tod

Schneewittchen irrt auf der Suche nach den sieben Zwergen durch den Wald, das sagt sie zumindest, in der Regieanweisung steht nur etwas von ausgestopften Wollpuppen auf der Bühne und Stimmen aus dem Off, sie sucht aber auch die Wahrheit, die ihrer Stiefmutter ja durch deren Spiegel verkündet worden war, welche demgegenüber jedoch keine Toleranz walten ließ.

Schneewittchen, mit Apfel vergiftet, trifft auf den Jäger, der sich bald auch als Tod, der wiederum seine eigene Wahrheit besitzt, zu erkennen gibt und sich in einigen Heideggeriaden über das Sein und das Wesen, den Grund und das Offene ergeht. Scheinbar konstruktiv werden das Verhältnis der Schönheit zu ihrer Schwiegermutter analysiert und sexuelle Anspielungen von den Zwergen mit ihren Zipfelmützen bis zum Jäger mit seiner Flinte durchexerziert, der allerdings zwischenzeitlich sehr wohl angelegt hat und, all ihrem Beteuern des Nicht-richtig-gestorben-Seins entgegen, das Schneewittchen schließlich zu Tode schießt.

Der Sieger im Kampf zwischen Glaube und Vernunft ist DAS TIER, das Mädchen jedenfalls unterlag den üblichen Wettbewerbsverzerrungen der Schönheit, wie sie das Kino und die Illustrierten so mit sich bringen, ihr größter Feind ist die Zeit, das muss die Leiche noch über sich ergehen lassen.

Nachdem der Jäger ab geht, treten die sieben Zwerge auf und stellen fest, dass es ein Leichtes gewesen wäre, sie zu finden, hätte Schneewittchen bloß die Karte nicht auf dem Kopf herum gehalten, schön blöd, und mühsam räumen sie den Müll weg bzw. die Leiche im märchenbezeugten Glassarg.

Diese mindestens zweite Lektüre bot eine griffige Sinnfolge mit klar verteilten Rollen und thematischen Schwerpunkten, während ich mich ausnahmsweise einmal kaum zwischen den mehrdeutigen Ebenen in die Bedeutungslosigkeit habe stürzen lassen. Der Tod ist ein Meister, wie war das?, das hat er uns gar nicht verraten, aber sein Deutsch klang unbezweifelbar muttersprachlich, genau, wir wollen ja nicht Äpfel mit Birnen vergleichen, aber wenn der Apfel mal nicht reicht, wird die Flinte es schon richten. Ein starkes Stück, nicht leicht zu verdauen.

Foto von Maria Teneva auf Unsplash.

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