Rezension zu Susanne Heinrich: Das melancholische Mädchen
Ein Mädchen wie du und ich
Das melancholische Mädchen, und zwar der Film ebenso wie der Typus und die diesen Typus verkörpernde Hauptperson, definiert sich über eine ausufernde Selbstreflexion sowie den Umstand, dass das eigentliche Ereignis bereits in der Vergangenheit liegt.
In einer Reihe kurzweiliger Episoden sehen wir die Hauptfigur, naja, sich in ihr Schicksal fügen, vielleicht. Gleich zu Beginn erklärt sie sich selbst und damit den ganzen Film, eine Aneinanderreihung von Standbildern, ohne wirklichen Handlungs- oder Spannungsbogen, dafür aber mit gesundem Zynismus und einem Minimalismus von künstlerischer Strahlkraft. Wir erfahren keine Details, sie schreibt ein Buch, wenn denn die Schreibblockade es zulässt, und sie braucht einen Schlafplatz.
Die Welt, irgendwie ist es schon Berlin, aber die Bilder bewegen sich ja nicht richtig, wird als herrlich grobschlächtiges Cliché inszeniert. Ihre Freundin beim Mutter-Kind-Gymnastikball-Yoga, wie alles im Film grob überzeichnet und doch so wahr, kann natürlich nicht mit einem Schlafplatz dienen, du weißt schon, das Kind, alles schwierig. In der Folge schlägt sie sich also eher mit Typen rum, Schlafplätze warten da überall auf sie, mal ist mehr, mal weniger Sex im Spiel.
Vielleicht gibt es ein psychologisches Muster, nach dem sich die Episoden aufeinander beziehen lassen. Die Männer sind ebenfalls richtige Typen, ein Schauspieler, ein Künstler, ein Musiker, ein Bauarbeiterphilosoph, ein Tischler, ein Yogaspinner und ein Hipster, achso, und ein Therapeut in Ausübung seines Berufes war auch noch dazwischen. Das Mädchen wird bewundert, aber nicht geliebt; alles bleibt an der Oberfläche. Der Zynismus ist Philosophie: Warten auf das Ende des Kapitalismus, was soll man schon machen. Der trockene, scharfkantige und durchaus theoriefeste Humor wird wundervoll ausgespielt, wenn wir denn akzeptieren, dass uns beim besseren Witz das Lachen im Halse stecken bleibt.
Die vierte Wand, die die Zuschauerin von dem Geschehen auf der Leinwand trennt, wird durch geschickten Einsatz vielfältiger Verfremdungseffekte niedergerissen. So werden Vorstellungen von Authentizität hinterfragt, Castingprozesse nachgebildet, herausragend schlechte Fototapeten als Hintergrund inszeniert und schließlich die Möglichkeiten der digitalen Nachbearbeitung von Bild und Ton mit einem Haufen von Verzerrungen und Störungen ad absurdum geführt. Man fühlt sich in nahezu allen Aspekten, in Bildgestaltung, Kameraführung, Kostümen, Sprache undsoweiter tatsächlich ins Theater versetzt. So sehr, dass ich am Ende Applaus geben möchte.