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Rezension zu Christian Kracht: Eurotrash

Mit Mama eine Reise tun. Über Reichtum, Psychiatrie und Perversion

Natürlich rein fiktional entwirft Christian Kracht im Hintergrund einer wenige Tage (vielleicht nur 24 Stunden) andauernden Zeitspanne, die seine Figur Christian Kracht, erst allein im Hotelzimmer, dann mit ihrer Mutter auf einer kleinen Rundreise per Taxi durch die Schweiz verbringt, das Tableau einer reichen, aber keineswegs unkomplizierten Familiengeschichte. Mit etwas zuviel Sorgfalt wird über Immobilien, Kunstbilder, Designerkleidung und Autos eine unsäglich luxuriöse Atmosphäre aufgebaut, gegen die sich der alternde Popliterat mit seiner frischen, durchgehend alkoholisierten und schmerzmittelabhängigen Mutter wohltuend abhebt. Da werden Nazivergangenheiten seziert und Kindesvergewaltigungen ans Licht gebracht, geheime Folterkammern entdeckt und prominente Anekdoten erinnert, und mit all diesem Wind in den Segeln holt der Sohn die achtzigjährige Mutter und mit ihr ein paar hunderttausend Franken ab, um auf einen den Umständen entsprechend doch recht wilden Roadtrip mit Alpenpanorama zu ziehen. Mit verächtlicher Genugtuung werfen sie das Geld um sich, übernachten in einer Nazi-Kommune, tätigen eine Gipfelfahrt mit der Seilbahn, bei der ein Haufen Geld im Winde verweht wird und die Gondel über Nacht steckenbleibt, werden mehrfach fast ausgeraubt, bewahren sich durch ihre „reverse snobbery“, einen Vorzug für billigen Wein und fettige Haare, aber stets einen glückbringenden Stern am Firmament. In den gemeinsamen Erlebnissen und geteilten Erinnerungen finden Mutter und Sohn zu einem heimelig-neckischen Verhältnis, wobei die verwahrte, rational besorgte und nüchterne Schriftstellerseele insgesamt viel langweiliger und dümmer erscheint als seine von einem Alterleuchten erfüllte Erziehungsberechtigte ohne Führerschein.

Verquickt ist die Erzählung mit einer Reihe pointiert in Szene gesetzter literarischer Kreuz- und Querverweise von Cervantes über Flaubert bis zu Daniel Kehlmann und Marcel Beyer, genau das richtige Maß für eine kurzweilige Unterhaltung. So ganz gelingt den Hauptfiguren ihr Ausbruch aus der großbürgerlichen Identität dann aber doch nicht: Die von der Mutter ersehnte Afrikareise wird von dem paternalistischen Sohn, der sich seinerseits fortwährend in psychotische Manipulationsvorwürfe verstrickt, in eine erneute Einweisung in die Psychiatrie umgemünzt, und nur das Vertrauen, die Drogen oder eine einsetzende Müdigkeit können die bis dahin höchst agile Mutter daran hindern, ihm diesen hinterhältigen Wortbruch um die Ohren zu schlagen.

Das ist alles sehr hübsch arrangiert und auch ausgesprochen informativ, erinnert manchmal ein bisschen an Thomas Bernhard, aber ohne dessen Abgründe und vernichtende Wiederholungen, irgendwie geht den Figuren bei Kracht aber auch alles derart locker-flockig von der Hand, dass es fast schon wieder zu glatt läuft. Auf allzu tiefe Geheimnisse und allzu große Denkbewegungen darf man hier nicht hoffen, aber dafür zaubert dieses Buch mir ein intellektuell gesalzenes Schmunzeln ins Gesicht.

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