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Rezension zu Arno Schmidt: Die Schule der Atheisten. Novellen-Comödie in 6 Aufzügen

Spaßbad in haidnischen Altertümern

Ein respekteinflößend-dickes Buch in DIN-A3 liegt da vor mir; ich habe ein Projekt gesucht, um meine Aufmerksamkeitsspanne und intellektuelle Leistungsfähigkeit auf die Probe zu stellen und nebenbei vielleicht noch einen Genuss höherer, ja vielleicht höchster Literatur zu erhaschen. Alle Erwartungen an das Buch und an mich selbst wurden erfüllt, und doch stehe ich irgendwie ernüchtert da.

Die Haupthandlung des 1970/71 erschienenen Werkes ist zwischen dem 7. und 15. Oktober eines dystopischen Jahres 2014 angesiedelt. Die Welt ist nach einigen nicht näher behandelten Verwüstungen zwischen einem US-amerikanischen Matriarchat und einem chinesischen Patriarchat aufgeteilt. An der Nordseeküste aber befindet sich, mitten im europäischen Strahlensperrgebiet, das Reservat Tönning, eine Art Zipfel der Zivilisation, wie wir sie von den 70ern bis heute noch immer kennen. Die normalen Menschen saufen, ficken und streiten sich, während Friedensrichter und Senator William T. Kolderup mit bissiger Ironie die Kulturgüter hütet (deren höchstes leicht als Zettels Traum zu identifizieren ist).

Nun gut, im Anwesen des alten Mannes turnt zunächst noch seine Enkelin Suse herum, siebzehnjährig, frischverliebt in den unsympathischen Apotheker-Dichter, und nach einem Vergewaltigungsversuch durch einen Erziehungsberechtigten wird auch ihre Freundin Nipperlein/-chen in den Generationensprunghaushalt aufgenommen. Während die Teenagerinnen noch mit ihrer aufblühenden Weiblichkeit zu kämpfen haben, plant der Senator in aller Bescheidenheit ein weltpolitisches Ereignis: Ein Besuch der ISIS, so 1 Titel der amerikanischen Außenministerin, steht an und die Zukunft des Reservats auf dem Spiel. Als zeitgleich auch noch ihr chinesisches Pendant an gleicher Stelle aufwartet, zieht Kolderup alle Register: mit einer Reihe vermeintlich mehr oder weniger seltener Kulturschätze, die er den verschiedenen Regierungsvertreter*innen darbietet, gewinnt er Aufmerksamkeit und Vertrauen.

Eine kurze Expedition ins verstrahlte Gebiet ringt den Gästen ihre Bewunderung für die alte Kultur ab, während Kolderup sich des dort verschollenen Familienerbes bemächtigt. Mit einer Erzählung, deren Inhalt im Wesentlichen Jules Vernes Die Schule der Robinsons als Kolderups jugendlich-geteilten Ereignishorizont mit einer Vielzahl der Anwesenden bzw. deren Eltern ausgibt, kann er schließlich das Reservat und die ganze Kultur an sich retten (und, ganz nebenbei, die Philosophie, die DDR und das Christentum zu Grabe tragen).

Die Intertextualität des Werks ist mehr als vielschichtig, Schmidt erweist sich, wie immer, als anstrengender, aber mit Akribie und Einfallsreichtum bestückter Universalgelehrter, für dessen Lektüre man lieber einmal zu oft im Lexikon nachschlägt, bevor man doch eine Kartoffel für ein seltenes alchimistisches Kraut hält (oder Ähnliches). Aus dem Text sprießen unzählige inhaltliche und formale Phallussymbole, wodurch einerseits Klassiker von Seltenheitswert als reiner Balztanz entlarvt werden, während sich in die eigenen scheinbaren Sexszenen gänzlich unerwartete literarische Einsichten hineinschreiben.

Es ist alles glanzvoll gearbeitet, unzählige Geheimnisse zu entdecken, aber mir persönlich ist Schmidt manchmal doch zu genau und objektiv; seine Zitate und lateinischen Textpassagen sagen zum überwiegenden Teil doch immer genau das, was sie zu sagen angetreten waren; er arrangiert zwar ein hübsches Gesamtbild aus einer Unmenge seltener Kostbarkeiten, aber er wird doch nie so recht den Rahmen verlassen und klammert sich am Ende doch allzu sehr, gefühlt, an die Gewänder seiner Säulenheiligen.

Zuletzt auch noch: Die Frauen kommen meiner bescheidenen Ansicht nach ziemlich schlecht weg in diesem Buch, sie sind zum allergrößten Teil als hormongesteuerte Titten-Fotzen-Arsch-Kombinationen ausgestellt, von denen es keine schafft, sich den zur Weisheit nötigen Entsagungen zu verpflichten. Im Matriarchat, glaube ich, sollte die Sache anders aussehen.

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