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Rezension zu Alexander Kluge: Das Buch der Kommentare. Unruhiger Garten der Seele

Von Halberstadt zu Habermas

In zwölf Abschnitten gegliedert präsentiert der nunmehr neunzigjährige Alexander Kluge seine jüngsten Texte zum Zeitgeschehen, welches dank Trump, Kryptowährungen und Pandemie reichlich Schnittstellen für den erfindungsfreudigen Universalgelehrten liefert. Der Band wurde bereits sein persönlichstes Buch geheißen, wobei besonders die eindringlichen Erfahrungen (Klänge!) des Bombardements von Halberstadt diese Auszeichnung verdienen, aber zwischen dem Seminar mit Hans-Jürgen Krahl in den 68ern und der Auseinandersetzung mit Jürgen Habermas jüngst erschienener Auch eine Geschichte der Philosophie finden noch immer zahlreiche wissenschaftlich informierte Fiktionalisierungen ihren Platz, die sich Kluge seit Dekaden zum Markenzeichen gemacht hat. So schlüpft der Ich-Erzähler in heitere Rollen als sprachwissenschaftlicher Impfstoffschmuggler oder Volkshochschulinterpret und Leserbriefschreiber aus der DDR, um aus dem Auseinanderdriften von Idee und Wirklichkeit neue Querbezüge und Wege des Denkens freizulegen. Auf dem intellektuellen Streifzug durch die Jahrhunderte schlagen einzelne Daten und Begriffe aus ganz heterogenen Richtungen durch, die durch ihre unvorhersehbare Iteration ein geradezu magisch anmutendes Gesamtbild entwerfen. So wie der Pilotfisch zum Hai, lautet eine „These“, verhält sich die Intelligenzia zur Macht, im schlimmsten Falle, die Viren streben auch bloß nach Vermehrung, es ist gar nicht so einfach, einen der überraschenden Argumentationsverläufe zu skizzieren, seine Interessantheit zu begründen. Das spiegelt ein real existierendes Problem: Obwohl sich Bewunderung und Begeisterung einprägen, bleibt doch ausgesprochen wenig Inhalt tatsächlich hängen, geschweige denn ließe sich dieser gar in einer Diskussion auf offener Straße verwerten. In einer gelartigen Konsistenz füllen die sogenannten Kommentare alle möglichen Leerstellen, verschwimmen dabei mit dem Kommentierten und verwischen ihre eigenen Spuren. Die Einbildung, etwas zu verstehen, ist der erste Schritt ins Vergessen, die Lektüre hat Spaß gemacht, aber bringt mein eigenes Schreiben wenig voran. Muss es denn immer darum gehen?

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