Rezension zu Aischylos: Der gefesselte Prometheus

Strafen für Unsterbliche

So schnell ich den Text gelesen habe, so schnell ist er mir wieder entfallen. Es passiert ja nichts. Prometheus ist gefangen, wird von Hephaistos an den Kaukasus geschmiedet, erklärt Io ihr Schicksal und geht irgendwie, alles egal, unter.

Die Lektüre habe ich mir zu sehr abgerungen, die langen Listen von Sünden und Strafen und Auswegen, Verteidigung und Akzeptanz, entglitten meiner Aufmerksamkeit. Also klar, Prometheus hat den Menschen das Feuer gebracht, die Technik und die Sprache, er hat die Menschen zu Menschen gemacht und Zeus hat daran keinen Gefallen gefunden. Die anderen Götter kuschen vor Zeus, Hephaistos tut seinen Job fast widerwillig und ist froh, als er verschwinden kann.

Io dagegen hegt Sympathien, mit dem Göttervater hatte sie bloß eine lustige Affäre, dessen Weib Hera allerdings nahm ihr das übel. Trotz Kuhverkleidung setzt Hera der Flussgotttochter ordentlich zu, lässt sie erst von Argosaugen bewachen und nach dessen Tod von einer Bremse durch die Welt jagen, wie Prometheus seine Allwissenheit zu demonstrieren weiß.

Die Sprache kann ich dabei feiern, sie feiert auch selbst ordentlich, Hochzeit, Weiber, Furt, Samen, Liebesnacht da wird ein superfeuchtes Erotikprogramm abgespult, auf das auch noch orthographisch fehlerhafte Sahnehäubchen wie das ironische Meer fallen. Prometheus tut so überweise, aber von den eigenen Ketten kommt er auch nicht los, da ist ihm wohl eine Maus über die Leber gelaufen oder er sollte sich mal auf Hepatitis testen lassen, wenn ihm dafür bloß jemand eine Überweisung schreiben würde, aber das hat der Vorausdenker wohl nicht bedacht.

Er lässt sich also als Wohltäter der Aufklärung preisen und bemitleiden, während Zeus eher als ein blitzzuckender kleiner Donald Trump dargestellt wird. Ansonsten scheint es bereits eine unerträgliche Qual zu sein, irgendwo hingehen oder irgendwas mitansehen zu müssen, während man sich in seiner Unsterblichkeit suhlt. Aber klar, das könnte man auch alles noch etwas analytischer herausarbeiten und dialektisch aufkochen, nur soll das heut nicht meine Sorge sein.

P. S.: Natürlich habe ich auch zu diesem Text ein echtes Déjà-vu, sogar mit jenem ironischen Meer. Warum bloß habe ich diese ganzen Bücher im Studium nicht gekauft und behalten? Wegen der Sicherheit. Ist doch egal, wer was sagt, das ändert sich in den Proben doch eh jeden Tag. Wir müssen einfach davon ausgehen, dass wir niemals echt sein werden, keinen Halt finden, dass uns niemand je an den Kaukasus schmieden wird, wo wir uns dann in unserer vermeintlichen Unschuld suhlen könnten. Das Wort hatten wir doch gerade schon, sagen wir diesmal lieber: wälzen, nein, panieren, ich meine, irgendwie soll es sich ja auch gut anfühlen, gegen ein paar fesche Jünger und Jüngerinnen hast du doch auch nichts einzuwenden, das wichtigste Mittel der Kunst ist die Übertreibung, habe Sie mal aus dem Fenster gesehen? Die Welt ist längst am anderen Ufer angekommen.

Foto von Christian Paul Stobbe auf Unsplash.